Sedativa, Hypnotika, Anxiolytika
Sedativa (Beruhigungsmittel), Hypnotika (Schlafmittel) und Anxiolytika (angstlösende Mittel) umfassen Benzodiazepine, Carbamate (z.B. Meprobamat®), Barbiturate und barbituratähnliche Hypnotika. Zu dieser Substanzklasse gehören alle Schlafmittel und fast alle sofort wirkenden angstlösenden Medikamente. Diese Mittel haben eine ähnliche Wirkung wie Alkohol: sie dämpfen, können substanzinduzierte Angststörungen auslösen und weisen bei Beendigung oder Reduktion eines schweren oder langanhaltenden Konsums dieselben Entzugserscheinungen wie bei Alkoholabhängigkeit auf.
Der Entzug tritt bei kurz wirkenden Substanzen (z.B. Triazolam) innerhalb von Stunden, bei lang wirkenden Medikamenten (z.B. Diazepam) erst nach 1-2 Tagen oder später auf. Diese Medikamente werden als die klassischen Beruhigungsmittel im Kapitel über Psychopharmakotherapie ausführlich besprochen.
Amphetamine und ähnlich wirkende Sympathomimetika
Zu dieser Substanzklasse zählen folgende Mittel
- Amphetaminpräparate (oft auch „Weckamine“ genannt);l Methamphetamin: amphetaminähnliche Substanzen, z.B. „Speed“ und „Ice“ (wirkt durch Rauchen rasch und intensiv stimulierend, ähnlich wie „Crack“-Kokain), das Präparat Pervitin® wurde im 2. Weltkrieg von Soldaten vieler Länder eingenommen;
- Substanzen mit anderer Struktur, jedoch amphetaminähnlicher Wirkung (z.B. Methylphenidat: Ritalin®, Fenetyllin: Captagon®);einige Appetitzügler („Diätpillen“).
Die Hauptvertreter dieser Substanzgruppe sind die Amphetaminderivate, die in Österreich mittlerweile verboten und nur mehr illegal erhältlich sind. In der BRD sind die Amphetaminpräparate ebenfalls nicht mehr im Handel, strukturverwandte Substanzen sind verschreibungspflichtig oder finden im Rahmen der Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung in begrenztem Umfang therapeutische Verwendung (z.B. die Präparate Ritalin® und Captagon®).
Amphetamine zählen zur Gruppe der Psychostimulanzien, die natürliche Substanzen (z.B. Kokain) und synthetische Substanzen (z.B. Amphetamine) umfassen.
Amphetamine und amphetaminähnliche Drogen wirken (abgesehen von der fehlenden anästhetischen Wirkung) ähnlich wie Kokain, nur länger, können jedoch intensivere periphere sympathomimetische Effekte aufweisen (Sympathikusüberregung).
Psychostimulanzien jeder Art haben folgende Effekte
- Dopamin-Wiederaufnahmehemmung. Psychostimulanzien bewirken eine Wiederaufnahmehemmung des Neurotransmitters Dopamin in den präsynaptischen Spalt und damit ein längeres Verweilen von Dopamin im synaptischen Spalt und verstärken und verlängern dadurch die Dopaminwirkung auf das mesolimbische System im Gehirn (Sitz des „Belohnungssystems“).
- Ausschüttung von Stresshormonen. Viele Stimulanzien verursachen eine Ausschüttung der stimulierenden Katecholamine (Adrenalin, Noradrenalin und Dopamin).Hemmung der Monoaminooxidase (MAO). Die MAO baut im präsynaptischen Neuron Katecholamine ab. Die Stimulanzien hemmen diesen Vorgang und bewirken damit eine höhere Katecholaminmenge in der präsynaptischen Nervenendigung.
- Manche Stimulanzien haben eine Eigenwirkung auf postsynaptische Katecholaminrezeptoren einschließlich der Dopaminrezeptoren.
Die vielfältigen Wirkungsmöglichkeiten machen den subjektiv belohnenden Effekt („Kick“) im mesolimbischen System des Gehirns aus, wenngleich je nach Substanz eine etwas unterschiedliche Wirkungsweise gegeben ist.Amphetamin und seine Derivate setzen Dopamin und Noradrenalin aus den präsynaptischen Nervenendigungen frei und hemmen gleichzeitig die Wiederaufnahme in das präsynaptische Neuron, wodurch deren Wirksamkeit steigt. Diese Substanzen unterdrücken durch die bessere Durchblutung und Sauerstoffversorgung Müdigkeit und Schläfrigkeit, beseitigen körperliche Abgeschlagenheit und Schlappheit, bewirken allgemeines Wohlgefühl und leichte Euphorie („high“-Gefühl) und verbessern kurzfristig die Konzentrations- und Leistungsfähigkeit. Einige Amphetamine sind „Appetitzügler“, weil sie das Hungergefühl unterdrücken.Als Nebenwirkungen des Amphetamingebrauchs sind zu erwarten: Herzrasen, Herzstolpern, Blutdruckerhöhung, Schlaflosigkeit, Alpträume, Zittern, Kopfschmerzen, Mundtrockenheit, Durchfall u.a.
Psychostimulanzien gewinnen im Rahmen der Leistungsgesellschaft steigende Bedeutung. Die „neuen Abhängigen“ möchten erfolgreich sein. Sie haben oft Versagensängste und versuchen sich durch „Speed“-Präparate fit zu halten.
Eine Amphetaminintoxikation weist nach dem DSM-IV folgende Symptome auf:
- Unangepasste verhaltensbezogene oder psychische Veränderungen: Angst, Anspannung, Aggressivität, Euphorie oder affektive Verflachung, Hypervigilanz (übermäßige Wachheit), Veränderung in der Geselligkeit, vermindertes Urteilsvermögen, reduzierte soziale und berufliche Funktionstüchtigkeit.
- Mindestens zwei der folgenden Symptome: Tachykardie (Herzrasen) oder Bradykardie (langsamer Herzschlag), erhöhter oder erniedrigter Blutdruck, Schwitzen oder Frösteln, Übelkeit oder Erbrechen, Gewichtsverlust, psychomotorische Agitiertheit oder Verlangsamung, Muskelschwäche, Abfall der Atemfrequenz (Atemdepression), Brustschmerzen, Herzrhythmusstörungen, Verwirrtheit u.a.
Bei Amphetaminabhängigkeit treten wie bei regelmäßiger Kokaineinnahme oft auch starke Angstzustände und paranoide Vorstellungen auf. Die heutzutage vieldiskutierten Designerdrogen zählen ebenfalls zu den amphetaminähnlichen Stoffen. Es handelt sich dabei um chemisch hergestellte Mischungen aus amphetaminähnlichen und halluzinogenen Stoffen, die je nach Zusammensetzung unterschiedliche Wirkungen haben können.
Der Amphetaminanteil führt zu Antriebssteigerung, Schlaf- und Appetitlosigkeit, innerer Unruhe, gesteigertem Rededrang und Gedankenbeschleunigung. Die bei uns aktuellste Designerdroge ist das Präparat Ecstasy, das letztlich ein Amphetaminmittel ist. Durch die Amphetaminwirkung kann es zu massiven Kreislaufreaktionen, im Extremfall zu Überhitzung und Herz-Kreislauf-Versagen wegen der zu geringen Abkühlung und der fehlenden Flüssigkeitszufuhr kommen (z.B. bei Rave-Parties). Auftretende Panikattacken können zumindest bei dafür sensiblen Personen eine Ecstasy-induzierte Angststörung auslösen.
Andere Substanzen (Medikamente)Angstzustände können durch zahlreiche Medikamente ausgelöst werden
- Antibiotika: die intramuskuläre Verabreichung von Procain-Penicillin G starke Angst- und Panikzustände auslösen,
Antihistaminika (Allergiemittel), - Antisympathotonika (blutdrucksenkende Mittel): das abrupte Absetzen der Substanz Clonidin, Präparat Catapresan®, bewirkt eine überschießende Freisetzung von Katecholaminen, was mit der vorher erzwungenen noradrenergen Freisetzungshemmung sowie mit Rezeptordichteveränderungen zusammenhängt,
- Alpha-Sympathomimetika (gefäßverengende Mittel zur Behandlung hypotoner Blutdruckstörungen und zur Schleimhautabschwellung bei Entzündungen): nach längerem Gebrauch kann das abrupte Absetzen von vasokonstringierenden alpha-sympathomimetischen Nasentropfen, speziell Oxymetazolin, zu Angst- und Panikzuständen führen, bedingt durch den Wegfall der natürlichen Hemmungsprozesse im Locus coeruleus, in dem eine hohe Noradrenalinkonzentration gegeben ist,
- Antiarhythmika (gegen Herzrhythmusstörungen): die Substanz Lidocain kann eine ausgeprägte und spezifische Todesangst bewirken,
- Asthmamittel,
- anabole Steroide (männliches Sexualhormon zur Steigerung der sportlichen Leistungsfähigkeit),
- Glukokortikoide (z.B. Kortison),
- Schilddrüsenpräparate,
- bestimmte Erkältungsmittel,
- Antiparkinsonmittel mit anticholinergen Effekten,
- Zytostatika (gegen Tumorzellen), z.B. Ifosfamid,
- Analgetika (Schmerzmittel),
- orale Kontrazeptiva: bestimmte Präparate können eine ängstlich-depressive Verstimmung bewirken.
Schwermetalle und Toxine (z.B. flüchtige Stoffe wie Benzin oder Farben, organophosphatische Insektizide, Nervengas, Kohlenmonoxid, Kohlendioxid) können ebenfalls Angstsymptome bewirken.