„Es gibt keine Krankheit, die ich in meiner Phantasie noch nicht hatte.“
Frau Sommer, 38 Jahre alt, verheiratet, zwei Kinder, berufstätig als Chefsekretärin, leidet seit mindestens 15 Jahren unter einer hypochondrischen Störung. Ihr Mann, die Verwandten und Bekannten lachen über sie: „Es gibt nichts, was du in deiner Phantasie noch nicht gehabt hast. Du gehörst zu den bestuntersuchten Einwohnern in der ganzen Stadt“. Einerseits weiß sie dies selbst, kann sich jedoch wegen ihrer ständigen Ängste vor irgendeiner Krankheit nicht anders helfen, als immer wieder neue ambulante und stationäre Untersuchungen durchführen zu lassen. Andererseits kränken sie derartige Aussagen maßlos, weil sie sich mit ihren Befürchtungen von niemand ernst genommen fühlt.
Frau Sommer war bereits von klein auf in ihrer Familie mit Tod, Krankheiten und Krankheitsängsten konfrontiert. Im Alter von zwei Jahren stirbt ihre Zwillingsschwester ganz plötzlich, angeblich an einer nicht rechtzeitig erkannten Infektion. Daraufhin konzentriert sich die übertriebene Fürsorge der Eltern ganz auf sie, diese entwickeln zudem extreme hypochondrische Züge. Als Frau Sommer 21 Jahre alt ist, erkrankt die Mutter an Brustkrebs und stirbt trotz Chemotherapie und zahlreicher Operationen. Eine dramatische Erfahrung für sie, dass ihre Mutter trotz aller Krankheitsängste den tödlichen Ausgang nicht verhindern konnte.
Die Lösung kann daher nur darin liegen, noch genauer als ihre Mutter auf die Gesundheit zu achten. Unzählige teure und aufwendige Arzt-, Labor- und Krankenhausbesuche sind die Folge.
Im Beruf verhält sich Frau Sommer meistens völlig unauffällig, weil sie in ihrer stressreichen und geistig anfordernden Arbeit die nötige Ablenkung findet.
Die jahrelangen ergebnislosen Untersuchungen bewirken allmählich eine depressive Reaktion, die sie jedoch als beruflich sehr leistungsorientierte Frau möglichst zu überspielen versucht, um keine Probleme in der Firma zu bekommen. Sie begründet ihre depressive Reaktion mit den ergebnislosen Untersuchungsbefunden, während ihr die Ärzte ständig eine „somatisierte Depression“ einreden und Antidepressiva verordnen wollen, falls man ihr nicht überhaupt mehr oder weniger deutlich mitteilt, sie sei hypochondrisch oder hysterisch. In den verschiedenen organmedizinisch orientierten Krankenhausabteilungen rät man ihr auch immer wieder zu einer psychiatrischen Begutachtung, was sie entrüstet ablehnt.
Hypochondrie Test
Sind Sie überzeugt, krank zu sein – auch wenn alle Untersuchungen dagegen sprechen?
1. Sind Sie seit mindestens sechs Monaten anhaltend davon überzeugt, wenigstens eine bestimmte ernsthafte körperliche Krankheit zu haben, auch wenn wiederholte Untersuchungen keine ausreichende körperliche Erklärung erbracht haben? | O |
Weigern Sie sich ständig, die medizinische Feststellung zu akzeptieren, dass den Symptomen keine körperliche Krankheit zugrunde liegt? | O |
Haben die ständigen Sorgen bezüglich Ihrer Überzeugungen und Symptome zu andauerndem Leiden und einer Störung des alltäglichen Lebens geführt (Beeinträchtigung der sozialen oder beruflichen Leistungsfähigkeit) und Sie veranlasst, medizinische Behandlung oder Untersuchungen (oder entsprechende Hilfe von Laienhelfern) zu suchen? | O |
Wenn Sie die Fragen 1, 2 und 3 angekreuzt haben, haben Sie möglicherweise eine hypochondrische Störung.
Krankheits- und Gesundheitsängste: Die zentralen Merkmale kurzgefasst
A Es besteht eine mindestens sechs Monate anhaltende Überzeugung, an einer schweren körperlichen Krankheit zu leiden, wobei im Laufe der Zeit gewöhnlich wechselnde Krankheitsängste auftreten.
B Die ständigen Sorgen um diese Überzeugungen und um die Symptome führen zu andauerndem Leiden, Beeinträchtigung des Alltagslebens und wiederholter medizinischer Abklärung und Behandlung (oder entsprechender Hilfe von Laienhelfern).
C Die Betroffenen bezweifeln hartnäckig die medizinische Feststellung, dass keine ausreichenden organischen Ursachen für die körperlichen Symptome oder vermeintlichen Entstellungen vorliegen. Die ärztlichen Feststellungen wirken höchstens für einige Wochen oder unmittelbar nach einer medizinischen Untersuchung beruhigend.
D Die Krankheitsängste treten nicht ausschließlich während einer anderen psychischen Störung auf.
Zwei Formen der Hypochondrie
Durch das Charakteristikum „Angst vor Krankheiten“ weist die hypochondrische Störung eine große Nähe zu den Angststörungen auf. Sie kann als Bindeglied zwischen den Angststörungen und den somatoformen (funktionellen bzw. psychovegetativen) Störungen angesehen werden.
Eine hypochondrische Störung ist durch folgende Merkmale charakterisiert, wobei die zwei erstgenannten als zentrale diagnostische Merkmale anzusehen sind:
- Die Betroffenen beschäftigen sich beharrlich mit der Möglichkeit, an einer oder mehreren schweren und fortschreitenden körperlichen Krankheiten zu leiden, manifestiert durch anhaltende körperliche Beschwerden.
- Sie weigern sich anhaltend, den Rat und die Versicherung mehrerer Ärzte zu akzeptieren, dass den Symptomen keine körperliche Krankheit zugrunde liegt.
- Sie interpretieren normale oder allgemeine Empfindungen oft als abnorm und belastend.
- Sie richten ihre Aufmerksamkeit meist auf nur ein oder zwei Organe oder Organsysteme.
- Sie können die befürchtete körperliche Krankheit benennen.
- Der Grad ihrer Überzeugung, von einer Krankheit oder Entstellung befallen zu sein, kann ebenso schwanken wie die vorwiegende Betonung einer Erkrankung gegenüber einer anderen.
Zur Diagnose einer hypochondrischen Störung sind nicht unbedingt körperliche Symptome erforderlich, die fehlinterpretiert werden (wies im amerikanischen psychiatrischen Diagnoseschema DSM-IV der Fall ist), es reichen im internationalen, bei uns gültigen Diagnoseschema ICD-10 bereits körperbezogene Ängste ohne aktuelle Beschwerden aus (etwa AIDS- oder Krebsphobie). Die hypochondrischen Ängste können bezogen sein auf Körperfunktionen (Herzschlag, Schwitzen, Darmbewegungen), körperliche Bagatellbeschwerden (eine kleine Wunde, ein gelegentlicher Husten, ein Bienenstich) oder vage und mehrdeutige körperliche Empfindungen („schmerzende Venen“, „Nervenschmerzen“).
Menschen mit einer Hypochondrie beschreiben dem Arzt ihre Symptome gewöhnlich sehr ausführlich und detailliert. Sie suchen oft verschiedene Ärzte auf („Doctor Shopping“) und wechseln häufig den Arzt, wenn sie das Gefühl haben, nicht die richtige Untersuchung und Behandlung zu erhalten. Anfängliches überschwängliches Lob für einen bestimmten Arzt oder Psychotherapeuten („Sie sind mir als Spezialist für mein Problem empfohlen worden“) kann rasch in Enttäuschung enden („Ich sehe, Sie können mir auch nicht wirklich helfen“).
Hypochondrische Patienten äußern bei einer ärztlichen Untersuchung oft nur die aus ihrer Sicht abklärungsbedürftigen Körperbeschwerden spontan, während die dazugehörigen Überzeugungen und Befürchtungen (z.B. bezüglich AIDS, Tumor, Gehirnschlag), die ständige Beschäftigung damit, die anhaltende Selbstbeobachtung und die Todesangst erst durch nähere Befragung zum Ausdruck gebracht werden.
Überweisungen zu Psychiatern oder Psychotherapeuten stehen die Betroffenen oft sehr kritisch gegenüber, weil sie sich dadurch hinsichtlich ihrer körperbezogenen Ängste nicht ernst genommen fühlen. Die Arzt-Patient-Beziehung ist oft durch Frustration und Ärger auf beiden Seiten gekennzeichnet und großen Belastungen ausgesetzt.
Nach den Aspekten von primärer und sekundärer Symptomatik kann man zwei Arten von Hypochondrie unterscheiden
- Primäre Hypochondrie. Die krankheitsbezogenen Ängste stehen in keinem Zusammenhang mit erlebten oder realistischerweise zu fürchtenden Krankheiten und können nicht auf eine andere, ihr übergeordnete Krankheit zurückgeführt werden. Die primäre Hypochondrie gilt im Vergleich zur sekundären Hypochondrie als die schwerere Störung.
- Sekundäre Hypochondrie. In mehr als 90 Prozent der Fälle haben sich Krankheitsängste nach einer anderen psychischen Störung (z.B. Panikstörung, Depression) oder einer körperlichen Erkrankung entwickelt, entweder der eigenen Person (oft bereits in der Kindheit, was nicht selten zu anhaltenden ängstlich-besorgten Reaktionen der Mutter geführt hat) oder – was noch häufiger der Fall ist – nach hautnahen Erfahrungen von Krankheit, Leid, Behinderung und Tod von Familienangehörigen, Verwandten oder guten Bekannten. Dies kann durch Modellernen aufgrund guter emotionaler Beziehungen erklärt werden. Häufig ist neben der sekundären Hypochondrie gleichzeitig auch eine Depression gegeben.
Im Mittelpunkt der hypochondrischen Störung stehen übermäßige Krankheitsängste und Krankheitsüberzeugungen. Man kann zwei Arten unterscheiden, je nachdem ob eher eine Angst oder eine Überzeugung im Vordergrund steht:
Krankheitsangst. Die Angst, krank zu werden, hat Ähnlichkeiten mit einer phobischen Symptomatik. Diese Erwartungsängste führen zu einem phobischen Vermeidungsverhalten. Arztkontakte und Auseinandersetzung mit der Thematik von Gesundheit und Krankheit werden gemieden. Typisch sind Aussagen wie „Ich darf nichts über Krankheiten lesen, sonst steigere ich mich gleich hinein.“
Krankheitsüberzeugung. Die Überzeugung, bereits krank zu sein, hat Ähnlichkeiten mit einer Zwangsstörung. Die Betroffenen sind Stammgäste bei Ärzten und sie wechseln sie auch häufig („Doctor Shopping“) in der Hoffnung, endlich auf den „richtigen“ Arzt zu stoßen, der die bislang unerkannte Krankheit entdeckt. Alle anderen Ärzte, die dazu nicht in der Lage sind, werden als unfähig abqualifiziert. Die Auseinandersetzung mit der Krankheitsthematik wird intensiv gesucht – ähnlich wie Zwangskranke vom zwangauslösenden Reiz geradezu magisch angezogen sind. Körpersymptome und Körperfunktionen werden ständig zu kontrollieren versucht („Checking Behavior“). Alle verfügbaren Informationen in den Medien sowie in Büchern werden als Beruhigungsversuche interessiert aufgenommen. Nicht selten geben die Betroffenen an, die Gedanken an eine körperliche Erkrankung würden sich in einer Weise aufdrängen, wie dies bei einer Zwangsstörung der Fall ist. Analog zu einem Waschzwang, der vermehrt auftritt, wenn ein reales Restrisiko einer Ansteckung gefürchtet wird, ist das Bedürfnis nach ärztlichen Kontrolluntersuchungen stärker, wenn bestimmten Gefahrenreizen nicht völlig ausgewichen werden kann (z.B. mehrfache AIDS-Kontrollen nach sexuellen Kontakten mit einer anderen Person als dem fixen Partner).
Krankheitsangst und -überzeugung wirken verhaltenssteuernd. Beide bewirken beim Betroffenen entweder ein Vermeidungsverhalten (phobischer Subtyp) oder ein „Doctor Shopping“ und eine ständige Kontrolle von Körperfunktionen („Checking Behaviour“ im Sinne einer Zwangsstörung).
Die Diagnose einer hypochondrischen Störung gilt in unserer Gesellschaft nach wie vor als abwertend und stigmatisierend. Die Bezeichnungen „Krankheitsängste“ oder „Gesundheitsängste“ können dagegen leichter akzeptiert werden. Diese Störung sollte nach meiner namhafter Fachleute im zukünftigen Diagnoseschema zu den Angststörungen gezählt werden, etwa als „Gesundheitsangststörung“.
Es sind relativ viele Menschen davon betroffen: 10-20 Prozent entwickeln in bestimmten Lebensphasen vorübergehend hypochondrische Ängste ohne Krankheitswertigkeit. Rund 5 Prozent der Hausarztpatienten in Deutschland weisen laut einer WHO-Studie eine Hypochondrie auf.
Womit auch noch gleich mit einem Vorurteil aufgeräumt werde: hypochondrische Störungen treten bei Frauen und Männern etwa gleich häufig auf. Behandlungsbedürftig sind sie alle, denn sie gehen oft mit anderen psychischen Störungen einher, vor allem mit Angststörungen, Zwangsstörungen und Depressionen.
Wie man ständige Krankheitsängste entwickeln kann
Menschen mit einer hypochondrischen Störung haben oft einen zu engen und verschärften Gesundheitsbegriff. Sie sehen
Gesundheit als völlige Symptomfreiheit („Ich bin gesund, wenn ich nichts spüre und keine körperlichen Empfindungen habe“),
- was zu übertriebenen Ansprüchen an die moderne Medizin führt;
- unspezifische und mehrdeutige Körpersignale als Zeichen einer Krankheit;
- körperliche Symptome als Zeichen von körperlicher Schwäche.
Menschen mit einer hypochondrischen Störung neigen zu einer kognitiven Fehlbewertung harmloser körperlicher Zustände und lassen sich auch durch negative Untersuchungsbefunde oft nicht beruhigen. Sie weisen eine sehr selektive Erinnerung auf und vergessen Irritationen in der Vergangenheit nicht so leicht wie andere Menschen.
Die Fixierung auf bestimmte nicht organisch bedingte körperliche Symptome wird durch unzureichende oder nicht adäquat verarbeitete Informationen über verschiedene Krankheiten begünstigt; auch gegenwärtige oder frühere Erfahrungen mit bestimmten Krankheiten am eigenen Leib oder in der Umgebung verstärken das Krankheitsbild. Die subjektiven Krankheitstheorien werden geformt durch die jeweiligen Informationen und Erfahrungen in einer bestimmten Lebenssituation und sozialen Umwelt. Dem richtigen „Krankheitswissen“ kommt daher eine große Bedeutung zu, weil mangelndes Wissen erst recht Krankheitsängste verstärkt.
Die Hypochondrie als „Checking Behaviour“ in Bezug auf den eigenen Körper wird oft zum „Spektrum der Zwangsstörungen“ gezählt. Die ängstlichen Kontrollen der Funktionen und der Organe des eigenen Körpers können analog zu einer Zwangsstörung als Kontrollrituale angesehen werden. Der Betroffene verspürt jedoch trotzdem weiterhin Unsicherheit, Unruhe und Angst, sodass er zur Versicherung den Arzt aufsuchen muss. Bereits ein Telefonat kann beruhigend wirken. Ärzte und Krankenpflegepersonal übernehmen oft – gut gemeint – dieselben langfristig schädlichen Beruhigungsversuche des Patienten, wie dies auch dessen Angehörige kurzfristig erfolgreich und langfristig vergeblich versucht haben. Je nachdem, ob die Krankheitsangst oder die Krankheitsüberzeugung im Vordergrund steht, sind unterschiedliche psychotherapeutische Strategien indiziert.
Das Konzept der Hypochondrie als zwanghafte körperbezogene Kontrollversuche zur Bewältigung von Krankheitsängsten deckt sich mit dem Erleben der Betroffenen und macht die Diagnose akzeptabler. Die Erklärung der hypochondrischen Störung nach dem Modell einer Zwangsstörung wirkt für viele Betroffene plausibel und vermittelt ihnen oft erstmalig ein einsichtiges Modell für ihre typischen Verhaltensweisen („Checking Behavior“ oder ständige Rückversicherungsfragen wie etwa „Sehen Sie wirklich nichts Krankhaftes?“; „Wie sicher kann ich mich darauf verlassen?“; „Wie lange nach dieser Untersuchung brauche ich mir keine Sorgen um eine Krebserkrankung zu machen?“; „Sollten wir nicht doch noch eine Kontrolluntersuchung in einem anderen Krankenhaus machen lassen?“). Auf dem Hintergrund eines akzeptablen Krankheitsverständnisses lässt sich eine effiziente Psychotherapie aufbauen.
Der Schlüssel: gehen Sie nach einem vernünftigen Plan und nicht nach Ihrem Angstgefühl zu Ärzten
Wenn Sie unter hypochondrischen Ängsten leiden, geht es Ihnen so wie Zwangskranken: mit dem Verstand wissen Sie, dass eine neuerliche Gesundheitskontrolle nach einer vorherigen gründlichen Untersuchung nicht notwendig ist, vom Gefühl her haben Sie jedoch den Eindruck, dass etwas übersehen worden sein könnte und wünschen eine neuerliche Untersuchung, nötigenfalls bei anderen Ärzten. Die ständigen Kontrollverhaltensweisen wirken jedoch – ähnlich wie bei Zwangskranken – letztlich nicht beruhigend, sondern bewirken vielmehr das Gegenteil! Wie bei Menschen mit Zwangsstörungen oft Familienmitglieder die „Endkontrolle“ übernehmen, wenn die Betroffenen selbst keine ausreichende Sicherheit mehr gewinnen, übernehmen bei Menschen mit hypochondrischen Ängsten Personen aus der Medizin (Arzt, Physiotherapeut, Krankenschwester usw.) in gut gemeinter Absicht eine Funktion wie Familienangehörige von Zwangskranken. Dies bringt zwar eine kurzfristige Erleichterung, langfristig jedoch eine verstärkte Abhängigkeit von anderen Personen.
Beherzigen Sie daher folgende Ratschläge
- Vereinbaren Sie regelmäßige Arzttermine in größeren Abständen und entkoppeln Sie diese von neu auftretenden bzw. anhaltenden Beschwerden. Gehen Sie nach einem Zeitplan zum Arzt und nicht wegen ansteigender Krankheitsängste ohne tatsächliche körperliche Beschwerden.
- Vereinbaren Sie regelmäßige körperliche Untersuchungen zum Ausschluss körperlicher Krankheiten sowie zur Verlaufskontrolle in größeren Abständen nach einem Zeitkriterium (z.B. jedes Jahr einmal).
- Vermindern Sie ständige Rückversicherungen im Medizinsystem und vergegenwärtigen Sie sich Ihre Befunde und die Worte des Arztes Ihres Vertrauens, ohne immer wieder dieselben Fragen zu stellen.
- Lernen Sie mit einem Restrisiko besser zu leben und konzentrieren Sie sich auf das, was Sie hier und jetzt tun können, um gesund zu bleiben.
- Setzen Sie sich mit der Möglichkeit eines zu frühen Todes auseinander, stellen Sie sich die Frage nach dem Sinn Ihres Lebens und handeln Sie so, dass Ihr Leben so verläuft, wie Sie sich dies vorstellen, ohne vor lauter Krankheitsängsten am Leben vorbeizugehen. Denken Sie immer an die „banale Wahrheit“: dieser Tag könnte Ihr letzter sein.
Mentales Training bei Hypochondrie
Wenn Sie hypochondrische Tendenzen aufweisen, sollten Sie durch bewusste Körperwahrnehmungsübungen lernen, folgende Spirale zu durchbrechen: Sie registrieren zunächst bestimmte körperliche Symptome, diese nehmen Sie dann zum Anlass, innerlich einen wahren Katastrophenfilm zu starten, der Sie letztendlich völlig vom Hier-und-Jetzt der Wahrnehmung wegführt. Der echte körperliche Zustand kann somit überhaupt nicht mehr wahrgenommen werden.
Zwei Übungsbeispiele
Steigern Sie den Blutdruck und den Puls durch Angstvorstellungen (stellen Sie sich z.B. vor, wie ein Herzinfarkt abläuft) und beobachten Sie sich dabei ohne Abwendung von Ihrem Körper so lange, bis Sie von allein wieder ruhig werden.
Wenden Sie sich einer bestimmten Körperregion zu und sagen Sie sich: „Ich habe Angst, Krebs zu bekommen.“ Bleiben Sie so lange zugewandt, bis Sie diesen Gedanken innerlich ertragen können, indem Sie sich z.B. sagen: „Es sind nur meine Gedanken, die mich quälen, ich weiß, dass mein Körper jetzt gesund ist. Ich muss jetzt keine Untersuchung vornehmen lassen, denn ich erinnere mich, was mir die Ärzte gesagt haben.“
Denkmuster ändern bei Hypochondrie
Wenn Sie unter Krankheitsängsten leiden, dominieren in Ihrem Denken wahrscheinlich folgende Muster: Fehldeutungen körperlicher Signale (z.B. „Herzrasen ohne Bewegung weist auf eine Krankheit hin“), extrem übertriebene Bewertungen von Körperempfindungen (z.B. „Mir ist so schwindlig, dass ich gleich umfalle“) und verschärfte Gesundheitsvorstellungen („Wenn ich körperlich etwas spüre, drückt dies eine schwere Erkrankung aus“). Der Teufelskreis ist perfekt: die ängstlichen Gedanken verstärken die körperlichen Empfindungen, was wiederum die Krankheitsängste anheizt usw.
Entwickeln Sie mehr Verständnis für Ihre Ängste und beantworten Sie folgende Frage: Was hat in der Vergangenheit diese Fixierung auf Ihr körperliches Befinden und auf mögliche Krankheiten ausgelöst und verstärkt? Gehen Sie dieser Frage einmal auf den Grund und akzeptieren Sie, dass Sie als Folge verschiedener Lebensumstände eine erhöhte Sensibilisierung für diese Thematik entwickelt haben. Lernen Sie damit so umzugehen, dass dies Ihre Lebensqualität nicht mehr ständig beeinträchtigt.
Folgende Einstellungsänderungen sind notwendig
- Verzichten Sie darauf, sich permanent bei Ärzten rückzuversichern, dass Sie völlig gesund und Ihre Beschwerden unbedenklich sind. Sonst werden Sie nie innere Sicherheit und Stabilität entwickeln.
- Reduzieren Sie Ihr Kontrollverhalten und untersuchen Sie sich nicht andauernd, wenn Sie ohnehin wissen, dass Sie gesund sind. Durch Ihre ständige Selbstbeobachtung können Sie sicherlich kleine Missempfindungen wahrnehmen oder erzeugen, doch haben diese nichts mit einer schweren Erkrankung wie Krebs zu tun. Konzentrieren Sie sich mehr auf Ihre Umwelt, das heißt lenken Sie sich im Bedarfsfall durch Aktivitäten und angenehme Erlebnisse von Ihrer Körperbeobachtung ab.
- Entwickeln Sie einen realistischen Gesundheitsbegriff. Analysieren Sie Ihre Gesundheitsvorstellungen und Sie werden erkennen, dass sie unrealistisch sind, etwa „Ich bin gesund, wenn ich nichts spüre und keine körperlichen Empfindungen habe“; „Wenn ich körperliche Symptome verspüre, dann zeigt dies, dass ich schwach und schwer krank bin“.
- Reduzieren Sie Ihr Bedürfnis, sich ständig zu schonen! Dadurch bestätigen Sie sich permanent, dass Sie womöglich doch eine schwere Erkrankung haben, die durch körperliche Anstrengung ausgelöst werden könnte. Provozieren Sie durch bestimmte Übungen verschiedene körperliche Missempfindungen und Symptome (z.B. Herzrasen, Atemnot), um immer wieder zu erleben, dass Ihr Körper auf Belastungen ganz normal reagiert und anschließend problemlos wieder zur Ruhe kommt.
- Verändern Sie Ihre hypochondrischen Körperbewertungen mit Hilfe Ihres Angsttagebuchs. ,Analysieren Sie: wie groß ist die Wahrscheinlichkeit des Auftretens einer bestimmten Erkrankung (z.B. AIDS, Gehirntumor) tatsächlich, welche Gründe sprechen für und gegen eine bestimmte Krankheit, durch welche alternativen Erklärungen werden Ihre Symptome verstehbar, mit welcher Sicherheit können Sie für die nächsten 3-6 Monate eine bestimmte Erkrankung voraussagen?