Schulphobie und Schulangst – Was können Eltern tun?

Oft wird zwischen Schulphobie und Schulangst unterschieden

  • Die Schulangst stellt eine auf die Schule gerichtete Angst dar.
  • Die Schulphobie ist keine auf die Schule gerichtete Angst, sondern beruht auf einer Trennungsangst von der wichtigsten Bezugsperson (gewöhnlich der Mutter). Der Ort der Störung liegt demnach nicht in der Schule, sondern zu Hause.

Definition

Die Definition der Schulphobie als Problem der Trennungsangst von der Hauptbezugsperson stammt von Psychoanalytikern und widerspricht eigentlich dem Begriff der Phobie, wonach es sich bei einer Phobie um eine objekt- oder situationsbezogene Angst handelt.

Ein schulphobisches Kind kann sich (meist längerfristig und nicht nur kurzfristig) aus der übermäßigen Bindung zur Hauptbezugsperson nicht lösen und deshalb nicht die Schule besuchen. Im Vordergrund stehen dabei oft körperliche Symptome wie Übelkeit, Bauchweh oder Kopfschmerzen, deretwegen das Kind von der Schule fernbleiben möchte. Die Symptome sind am Wochenende oder in den Ferien weitgehend verschwunden.

Trennungsängste treten oft zu bestimmten entwicklungsphasentypischen Zeitpunkten als Ursache für eine mangelnde außerfamiliäre Integration auf:

  1. Eintritt in den Kindergarten,
  2. Eintritt in die Schule,
  3. Pubertät, wo eine natürliche Ablösung von den Eltern erfolgen sollte.

Schulphobische Kinder und Jugendliche sind meistens durchschnittlich oder überdurchschnittlich begabte Schüler. Es bestehen gewöhnlich keine Ängste vor bestimmten Lehrern oder Unterrichtsgegenständen.

Die Ablösung des Kindes von der Mutter wird gewöhnlich erschwert durch den Umstand, dass auch diese in einer sehr engen Bindung zum Kind steht. Dies kann lebensgeschichtlich bedingt sein (allein erziehende Mutter, unbefriedigende Ehe, Scheidung, Trennung oder häufige Abwesenheit des Partners).

Die emotionale Abhängigkeit der Mutter vom Kind erschwert deren Rolle als Erziehungsperson. Sie hat angesichts der körperlichen Symptome Erbarmen mit dem Kind und legt nicht konsequent genug Wert auf den Schulbesuch des Kindes. Sie verstärkt durch ihr Verhalten die Angstsymptome des Kindes.

Die Schulphobie kann aber auch Ausdruck umfassender familiärer Probleme sein. Das Kind geht z.B. nicht in die Schule, um zu Hause darauf zu achten, dass die Eltern nicht ständig streiten und sich nicht trennen, oder will der Mutter helfen, wenn sie unter den Alkoholproblemen des Partners leidet.

Am 10.9.1998 stand es in allen österreichischen Zeitungen: fast 240 000 Schüler leiden unter Schulangst. Sind es wirklich so viele?

Schulängste sind oft spezielle Formen von sozialen oder Leistungsängsten. Schulängstliche Kinder leiden häufig unter Bauchschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, Kopfschmerzen, Appetitlosigkeit, Essstörungen, Schlafstörungen und Fieberschüben. Die Symptome treten bereits zu Hause auf, steigern sich auf dem Schulweg und erreichen in der Schule nach einiger Zeit ein solches Ausmaß, dass das Kind nach Hause geschickt werden muss.

Der Schüler macht nicht die Erfahrung, dass die körperlichen Beschwerden nach einiger Zeit der Gewöhnung von alleine nachlassen. Die Vermeidung des Schulbesuchs oder das vorzeitige Verlassen des Schulgebäudes, das zumeist mit den körperlichen Angstsymptomen begründet wird, verstärkt die Schulangst. Es kommt oft zu einer längeren Abwesenheit vom Unterricht.

Durch die Folgen (Rückstand beim Lernstoff, Rolle als psychisch kranker Schüler, gefürchtete Reaktionen der Mitschüler usw.) ufert die Schulangst immer mehr aus und bildet sich nicht – wie oft geglaubt wird – von allein zurück, wenn man dem Schüler nur einige Wochen der Erholung zu Hause gönnt.

Schulverweigerung durch Schulphobie und Schulangst ist etwas völlig anderes als Schulverweigerung durch Schuleschwänzen. Kinder, die die Schule schwänzen, verheimlichen dies vor den Eltern, leiden unter keiner Trennungsangst von zu Hause, haben keine Angst vor der Schule, weisen keine körperlichen Symptome auf, haben nur wenig Lernmotivation, erleben das Schuleschwänzen als lustvoll, weil sie der Lernbelastung entkommen, und sind ganz allgemein in Gefahr, einen dissozialen Weg einzuschlagen, d.h. die sozialen Regeln und Normen zu überschreiten.

Ursachen

  1. Schüler können überfordert sein durch die Auswahl einer unpassenden Schulart, die nicht ihren Begabungen und Interessen entspricht. Oft werden bestimmte Gegenstände derart gefürchtet, dass schließlich die Freude am Schulbesuch verloren geht.
  2. Es kann ein übermäßiger Leistungsanspruch vonseiten der Eltern bestehen. Sehr ehrgeizige Eltern erwarten von ihrem Kind Leistungen, die es nicht erbringen kann. Aus Angst vor dem Versagen wird schließlich die Schule als solche gefürchtet. Häufig besteht ein derartiger Leistungsdruck vonseiten der Eltern, dass das Leben nur mehr aus dem Schulbesuch zu bestehen scheint und das Kind kaum Zeit für andere Tätigkeiten hat. Es macht verständlicherweise Angst, wenn man von seinen Eltern wegen schlechter Noten weniger geliebt wird.
  3. Jugendliche können einen übermäßigen Leistungsehrgeiz entwickeln, der blockierend wirkt. Wenn gute Noten zur Grundlage für das Selbstbewusstsein und für das Gefühl der Anerkennung durch die Umwelt werden, besteht die Gefahr, dass bei schlechteren Leistungsergebnissen die Angst ansteigt, die soziale Anerkennung zu verlieren.
  4. Ein Schüler kann sich von einem bestimmten Lehrer überfordert oder abgelehnt fühlen. Oft beruht dies auf nicht ausgesprochenen Missverständnissen, so dass eine entsprechende Klärung nötig erscheint.
  5. Ein Schüler kann sich aus der Klassengemeinschaft ausgeschlossen fühlen und als Außenseiter erleben. Ein Gefühl der Ablehnung durch die Mitschüler verleidet die Teilnahme am Unterricht.
  6. Ein schulisches Vermeidungsverhalten kann eine Reaktion auf nicht bewältigte Sticheleien und Verspottungen durch Klassenkameraden darstellen, kann aber auch mit unzureichenden sozialen Fertigkeiten des betreffenden Schülers zusammenhängen, so dass eine entsprechende Unterstützung und Förderung angezeigt ist.

Schulphobie und Schulangst überwinden

Trotz der unterschiedlichen Ursachen, die hinter einer Schulphobie und einer Schulangst stehen, lassen sich einige gemeinsame Leitlinien anführen, die dir im Bedarfsfall weiterhelfen können:

  • Eine ärztliche Untersuchung zum Ausschluss organischer Ursachen kann dich angesichts massiver körperlicher Symptome beruhigen. Dadurch werden nicht nur deine körperlichen Beschwerden ernst genommen, sondern auch deine Eltern und Lehrer zu einer konsequenten Durchführung pädagogisch-psychologischer Maßnahmen zu deinem Wohl ermutigt, wenn du körperlich gesund bist.
  • Die beste Hilfe erfährst du durch eine enge Zusammenarbeit zwischen deinen Eltern und deinen Lehrern bzw. dem Schularzt, Schulpsychologen oder Psychotherapeuten. Du solltest an der Erstellung des Behandlungsplanes aktiv beteiligt sein, die Erwachsenen sollten jedoch sehr konsequent daran festhalten, wenn du, gesteuert von deinen Ängsten, den Schulbesuch wieder einmal einstellen möchtest.
  • Wenn du trotz aller Bemühungen den Unterricht vermeiden möchtest, sollte dies nur kurzfristig und durch eine ärztliche Bestätigung ermöglicht werden. Eine generelle Befreiung vom Schulbesuch für einen längeren Zeitraum würde dich zwar kurzfristig entlasten, langfristig jedoch am Erreichen des Klassenziels hindern. Übrigens: durch Vermeiden des Schulbesuchs im heurigen Schuljahr wird es dir auch nächstes Jahr nicht besser ergehen!
  • Bei anhaltenden körperlichen Symptomen ohne organische Ursache solltest du nicht ständig von der Schule nach Hause gehen, sondern in einem bestimmten Ruheraum (z.B. Arztzimmer) die Möglichkeit zu einer kurzen Erholung erhalten und anschließend wieder am Unterricht teilnehmen. Dies kann die Bewältigung deiner Ängste fördern und dein Erfolgsgefühl stärken.
  • In der Schule solltest du auf jede Sonderregelung verzichten, um keine Sonderposition zu erhalten, die dich letztlich zu einem Außenseiter in der Klassengemeinschaft macht und dich in der Krankenrolle fixiert.
  • Du solltest die Wahl zwischen einer gestuften oder massierten Konfrontationstherapie erhalten, d.h. zwischen einer langsam ansteigenden Anwesenheitsdauer im Unterricht oder einem raschen Schulbesuch in vollem Umfang. Bei ausgeprägter Angst erfolgt anfangs – nach genau fixiertem Plan – die Teilnahme in den ersten Schulstunden, später in zeitlich ansteigendem Ausmaß die Anwesenheit in vollem Umfang. Für jeden Fortschritt hast du dir eine Belohnung verdient.
  • Bei Problemen am Schulweg sollte dich anfangs ein Familienmitglied begleiten, um der Gefahr zu begegnen, dass du nicht im Klassenzimmer ankommst.
  • Bei Scheitern aller Selbsthilfemaßnahmen ist eine Unterstützung durch einen Psychologen und Psychotherapeuten angezeigt.
  • Die Therapie sollte nicht die Abwesenheit von der Schule rechtfertigen nach dem Motto „Wenn die Ursachen beseitigt sind, dann wird der Jugendliche von allein wieder die Schule besuchen“. Die Therapie besteht angesichts massiver körperlicher Angstsymptome vielmehr gerade darin, dich bei der Wiederaufnahme des Schulbesuchs zu unterstützen. Deine Gesundung erfolgt nicht durch die Abwesenheit vom Unterricht, sondern durch den Teilnahme am Unterricht.
  • Bei sehr großen Ängsten kannst du anfangs auch ein mentales Training durchführen, wo du die Angst machenden Situationen im Geiste durchgehst.
  • Bei Bedarf (z.B. bei einer Schulphobie) sollten auch deine Eltern eine kürzere Beratung oder Therapie durch einen Fachmann in Anspruch nehmen. Dabei sollte zuerst an der Lösung deiner Probleme gearbeitet werden und anschließend an der Bewältigung der gegebenen Familienprobleme.